Die Entwicklung der Flensburger Innenstadt

Historische Betrachtungen zur Situation der Flensburger Innenstadt

 

Arbeitsgemeinschaft Flensburger Innenstadt: Klaus Kunert (Architekt), Cornelia Plewa (Geografin)

Flensburg, im März 1988

Flensburger Innenförde, naturräumliche Lage, Ausdehnung bei Beginn der Besiedlung

Langgestrecktes Fördetal, steile Hänge

Die Abbildung der Flensburger Innenförde zeigt recht deut­lich die naturräumlichen Grenzen für die Besiedlung: Das langgestreckte Tal, das schmale Ufer, eingesäumt von den recht steilen und verhältnismäßig hohen Hängen der Stauchendmoräne aus der letzten Eiszeit. Wegen technischer Schwierigkeiten erfolgte die Besiedlung nur im Talraum.

 

Die Straßen verliefen der Morphologie entsprechend am Westufer Nord-Süd in Richtung langgestreckt die Verbindung von Bov nach Schleswig, zwischen Fördeufer und Mühlentei­chen in West-Ost-Richtung die Verbindung zwischen Friesland und Angeln. Am Südermarkt lag leicht versetzt der Schnitt­punkt dieser wichtigen Wegeverbindungen.

Fischersiedlung St. Johannis

Als ältester Siedlungskern der heutigen Stadt Flensburg ist die dörfliche Siedlung um die Johanniskirche zu bezeichnen, die vornehmlich von Fischern besiedelt wurde. Diese ur­sprüngliche Siedlung außerhalb der Stadtgründung stand wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem südlichen Siedlungsschwerpunkt der entstehenden Stadt Flensburg.

 

Südermarkt und Nordermarkt: Zwei Siedlungskerne

Das mittelalterliche Flensburg hat zwei gleichberechtigte Siedlungskerne:

 

  • den nördlichen Bereich um den Nordermarkt, der gegen 1200 vom Dänenkönig Knud IV als Kaufmannssiedlung gegründet wurde,
  • den südlichen Bereich um den Südermarkt als Saisonmarkt für Bauern im Zusammenhang mit den Wegeverbindungen.

Der nördliche Teil ist stärker auf die Schifffahrt ausge­richtet, der südliche Teil mehr auf den Bauernmarkt. Im Süden sind ferner ein Franziskaner-Kloster auf einer Halbinsel der gestauten Mühlenteiche, der Fischfang in den Teichen und die Siedlung St. Johannis von Bedeutung.

Zusammenwachsen der Siedlungskerne, Einstraßenlage

Trotz der unterschiedlichen Tätigkeitsschwerpunkte herrschte ein gewisses ökonomisches Gleichgewicht zwischen den beiden Siedlungskernen. Dadurch wuchsen dies beiden Schwerpunkte aufeinander zu, später wurden sie gemeinsam von einer Stadtmauer umgeben.

Wachstumsrichtung Norden: Verlandung der Förde, Bau der Duborg, Vorstadt Ramsharde

Durch naturräumliche und ökonomische Veränderungen blieb die Gleichberechtigung der Stadtteile im Laufe der Jahrhun­derte nicht unverändert bestehen. Mit der Verlandung der Fördespitze bei wachsender Bedeutung des Seehandels (16./17. Jahrhundert ist das goldener Zeitalter des Handels in Flensburg) gewinnt der nördliche Teil der Stadt zuneh­mend an Bedeutung. Verstärkt wird diese Entwicklungsrich­tung durch den Bau der zunächst strategisch, später reprä­sentativ wichtigen Duborg auf dem Hügel nördlich des Glimbektales. Hierdurch entsteht die Ramsharde als Vorstadt, die dann nach Norden erweitert wird (Verlegung des Norder­tores um 1590).

Vorstadt St. Johannis im Osten

Wenn auch die Entwicklungsrichtung der Stadt eindeutig nach Norden weist, so ist dennoch die Bedeutung des Bauernmark­tes im Süden nicht zu unterschätzen: Auch die Siedlung um St. Johannis nimmt vorstädtischen Charakter an, die Vor­städte im Norden und im Südosten werden in die Stadtbefe­stigung einbezogen, beide durch ein Plankwerk eingefasst.

Fischer ziehen am Ostufer nordwärts

Die Fischer, ehemals in St. Johannis ansässig, ziehen mit der Verlandung der Fördespitze und der Abkoppelung vom Fernhandel auf der östlichen Fördeuferseite langsam nord­wärts. Die Leprösenstation am Lautrupsbachtal ist Selbst­versorger und hat keinerlei Verbindungen zur Stadt Die Stadt Flensburg zeigt bis ca. 1600 eine Einstraßenlage in L-Form (Ausnahme die kleine Siedlung um die Kirche St. Johannis). Am westlichen und südlichen Fördeufer ist die Bebauung zur Straße hin geschlossen, die Höfe und Gärten weisen einerseits zum Hang, andererseits zur Förde.

 

Westindienhandel: Ausbau des Hafenviertels, Kaufmannshöfe

Die Siedlungsentwicklung bis ca. 1840 folgt den bisher auf­gezeigten Tendenzen: Mit weiterer Verlandung der Förde und der gleichbleibend wichtigen Bedeutung des Seehandels bei größeren Schiffstypen zeigt die Wachstumsrichtung der Stadt eindeutig nach Norden. Insbesondere der Westindienhandel ruft bauliche Veränderungen hervor: Da die Kaufleute selbst lagerten und konservierten, überstieg der Raumbedarf den normalen Zuwachs in guten Handelszeiten.

 

Die Folge war eine erhebliche Verdichtung der baulichen Nutzung in der gesamten Stadt, insbesondere aber der syste­matische Ausbau des nördlichen Hafenviertels. Hierzu gehör­ten die Befestigung der Schiffbrücke mit nördlich gelegener großer Werft sowie die Ausbau der Verbindungsstraßen zwi­schen Schiffbrücke und Norderstraße (Neue Straße, Oluf Sam­son Gang, Herrenstall, Norderfischerstraße). Der nördliche Stadtteil wird somit auch zum Wasser hin baulich gestaltet.

Bauernmarkt: Bauliche Entwicklung an den Ausfallstraßen im Süden

Der Siedlungsschwerpunkt um den Südermarkt erhält seine ei­genständige Bedeutung, bauliche Erweiterungen finden ent­lang der Einfallstraßen statt, insbesondere aber um den Ha­fermarkt, als Stadteingang aus dem an Getreide reichen An­geln. Innerhalb der Stadt verdichtet sich auch die Bebauung entlang des (Ein-) Straßenzuges zwischen Nordermarkt und Südermarkt, auch hier entstehen Kaufmannshöfe mit Speicher­bauten. Die talwärtige Seite der Hofenden (noch nicht dif­ferenziert nach Norderhofenden und SGderhofenden) bleibt ohne baulichen Abschluß, eher „privat“. Dennoch sind die Hofenden keineswegs die „Schmuddelecke“ des Westufers: Ein kleiner Weg führt entlang des Mühlenstromes, der das ver­landete, überflutungsgefährdete Tal entwässert, nach alten Darstellungen ein schöner Spiel- und Spazierweg entlang gestalteter Gärten.

 

Mühlenpanorama Stadtbildprägend 

Für die Siedlungsteile mit bäuerlichem Bezug sind die ver­schiedensten Mühlen nach wie vor von Bedeutung, sie sind um diese Zeit stadtbildprägend (drei Mühlen an der Roten Straße/Töpferstraße, St. Johannismühle, Lautupsmühle, die Berg­mühle, die Mühle auf Duburg, Grütz- und Graupenmühle Helene an der Mühlenstraße, Boreas Mühle oberhalb des Südergra­bens, königliche Wassermühle an der Angelburger Straße und andere).

 

St. Johannis / St. Jürgen: Fischer wandern mit der Verlandung der Förde nordwärts

In starkem Maße abhängig von der Verlandung der Innenförde, jedoch relativ unabhängig von den Entwicklungen des städti­schen Handels entwickelte sich das Siedlungsband entlang der heutigen Johannisstraße / St. Jürgenstraße. Neben Fi­schern und den dazugehörigen Handwerkern (kleine Fischerei­werft) siedelten in diesem Bereich die Schnapsbrenner (St. Johannis) und die Leineweber (St. Jürgen), später dann auch die Kapitäne der Handelsschifffahrt (St. Jürgen). Der Weg in die eigentliche Stadt Flensburg blieb weit, da das innere Fördetal sumpfig, ohne befestigte Wege und ohne Bebauung blieb.

 

Fördetal bleibt ungenutzt

Insgesamt hat sich die Anlage der Stadt nicht grundlegend verändert, der Siedlungsbereich hat sich lediglich erwei­tert. Aus der Einstraßenanlage in L-Forrn ist eine U-Forrn geworden, die nordwestliche Vorstadt Ramsharde erhält durch die Bebauung der Schiffbrücke ein „Gesicht“ zum Wasser, das innere Fördetal bleibt sumpfig, Überschwemmungsgefährdet und leer.

Für die nun folgenden Betrachtungen wurde ein relativ kurzer Zeitraum ausgewählt, da die Entwicklungen in der ersten Phase der Industrialisierung recht schnell verlaufen und zum Teil recht kurzlebig sind. Für diesen Plan ist weniger das genaue historische Datum entscheidend, sondern eher die Tendenzen, die in diesem Zeitraum sichtbar werden.

 

Industrialisierung: Massenproduktion, neue Verkehrsmittel, neue soziale Schichten, beginnende Trennung von Arbeiten und Wohnen, Umgestaltung der Stadt

Die wesentlichen Veränderungen liegen im Bereich der Pro­duktion (Manufakturen, Massenproduktion wird erstmals mög­lich) und der Verkehrsmittel (mit der Eisenbahn wird eine schnelle Verteilung der Waren möglich), zugleich bilden sich neue soziale Strukturen heraus (Eckpunkte: Arbeiter und Kapitalisten). Die Standorte innerhalb einer Stadt er­fahren hierdurch eine neue Bewertung, Arbeiten und Wohnen fallen räumlich auseinander, ansatzweise ist auch bereits eine räumliche Trennung nach sozialer Schichtzugehörigkeit zu beobachten. Die Gliederung der Stadt Flensburg wird zu dieser Zeit erstmals grundlegend beeinflusst und um­gestaltet.

Bau der englischen Brücke: Verbindung Schiff / Schiene

In die Mitte des leeren U des Stadtgrundrisses wird die Ei­senbahnlinie gelegt. Die „Englische Brücke“ mit Bahnan­schluss nach Husum (erbaut durch eine englische Eisenbahnge­sellschaft) verdeutlicht durch ihre Lage in der Förde den erhofften Warenumschlag vom Schiff auf die Schiene. Die englische Brücke hatte zwar nicht lange Bestand, jedoch entstanden neue Bahnanlagen in Hafennähe und die Schienen­verbundenheit des Hafens blieb bis heute erhalten.

Im Zusammenhang mit der Bahnanlage siedeln sich im rückwär­tigen St. Johannis zunehmend Gewerbe- und Großhandelsbe­triebe an. Auch die Werft an der Schiffbrücke expandierte, sie verlagerte 1872 ihren Standort weiter nach Norden an die Werftstraße.

 

Bahndamm trennt Westufer und Ostufer

Mit der Anlage der Eisenbahnlinie mitten durch die Stadt wurden historische Strukturen rigoros zerschnitten. Z.B. verläuft die Bahnlinie mitten durch den kleinen Mühlenteich und zerteilt ihn in zwei Teile. Noch wesentlicher dürfte die Zweiteilung Flensburgs in eine Weststadt und eine Oststadt zu Buche schlagen, die zunächst nur durch die Angel­burgerstraße verbunden blieben. Gleichzeitig wurde ver­sucht, die Zweiteilung durch planerische Maßnahmen zu kor­rigieren:

 

Neue West-Ost-Achse vom Museum / Rathausstraße bis zur Großen St. Jürgen Treppe / Ulmenstraße

Zwischen Nordermarkt und Südermarkt entstehen mit der Niko­laistraße und der Rathausstraße neue Querstraßen, die auch baulich gefaßt werden. Eine repräsentative Bedeutung soll die Rathausstraße erhalten, die in ihrer Anlage auf den Bahnhof bezogen ist. Sie wird von wichtigen Gebäuden wie Stadttheater, Hotel, Post gefaßt und in ihrer Bedeutung durch das Museum auf dem Hang gestärkt. Später verfestigt sich diese West-Ost-Achse durch den Bau der großen St.-Jür­gen-Treppe und der Gebäude Ulmenstraße 15 / 17 in der östli­chen Altstadt.

 

Öffentlichkeit und Freizeit

Die neu entstandene „Öffentlichkeit“ zeigt sich in der An­lage von Promenaden zwischen Hafendamm und Bahnhof, sowie entlang des Mühlenstromes. In den geplanten Baugebieten auf dem Hang sind auch Parks mit vorgesehen.

Darüber hinaus beginnt sich ein Freizeitbereich zu entwi­ckeln. Der Badestrand und zeitweilig auch eine Badeanstalt sind auf dem Ostufer angesiedelt (etwa in Höhe des heutigen Fischereihafens und weiter nördlich). Ebenfalls nur kurzen Bestand hatte der Seglerhafen nördlich der damaligen Bal­lastbrücke, der in den zwanziger Jahren gewerblichen Ein­richtungen weichen musste.

 

Sozial-räumliche Differenzierungen

Neben diesen großen (baulichen) Veränderungen im Altstadt­bereich vollzogen sich zusätzlich „leisere“ Differenzie­rungsprozesse. Im Zuge der Industrialisierung entstand nicht nur ein Raumbedarf für die Gewerbetriebe, sondern mit dem Auseinanderfallen von Arbeiten und Wohnen auch ein zu­sätzlicher Raumbedarf für das Wohnen. Entsprechend der di­versen Wohn- Standortqualitäten erfolgte hier erstmals auch eine soziale Differenzierung in der östlichen Altstadt:

  • Das Johannisviertel blieb Wohnquartier für einfachere Leute, das Gebiet wurde durchsetzt mit Gewerbebetrieben.
  • Arbeiterwohnen mit Selbstversorgung erfolgte entlang der Kappelner Straße / Adelbyer Straße.
  • Der Siedlungsbereich um die Mittelstraße, frühzeitiges Spekulationsobjekt, wurde mit kleinen Arbeiterhäusern bebaut, die später, insbesondere in der Teichstraße zeitlich überformt wurden.
  • St. Jürgen wurde über die Schiffer und Weber hinaus Wohn­platz für die Handelskapitäne, deren Vorgärten im repräsen­tativen Promenadenbereich endeten.
  • Im Bereich um die Ballastbrücke zeichnet sich zu dieser Zeit eine langsamere bauliche Entwicklung ab, gestützt vom Kiesabbau und der Ziegelei, zeitweise auch durch Freizeit­aktivitäten (Badeanstalt, Seglerhafen).

Fortschreitende Industrialisierung

Die durchgreifenden Entwicklungen der Industrialisierung, der preußischen Zeit, des Vorkriegs- und Nachkriegs­Deutschland fanden in Flensburgs Nachkriegszeit ihren Nie­derschlag. Weiter ansteigende Produktion, Distribution und der Konsum führen zu immer stärkerer räumlicher Trennung, Wohnen und Arbeiten fallen immer mehr auseinander. Im Alt­stadtbereich sind folgende Tendenzen sichtbar:

 

Ausbildung eines Stadtzentrums, ausgeprägter Geschäfts- und Konsumbereich zwischen Südermarkt und Nordermarkt

Das Gebiet zwischen Südermarkt und Nordermarkt entwickelt sich zum Geschäfts- bzw. Konsumbereich, die wichtigen Ge­bäude an und und oberhalb der Rathausstraße bleiben in ih­rer Funktion bestehen und haben inzwischen auf der östli­chen Höhe einen Gegenpart in der Großen St.-Jürgen-Treppe und der östliche Hangkrone. Die Straße Norderhofenden wird baulich gefasst, der Nordermarkt neu gestaltet (Im Gegensatz hierzu bleiben im Süden die Hofenden mit Gartenbereich zum Mühlenstrom).

Verkehrsschwerpunkt Fördespitze: Bahngleise, Straßenbau

Der neue geschäftliche Schwerpunkt in der Mitte und zum Norden hin wird deutlich durch die vielen Bahngleise und Bahnhöfe, die zeitweise das Fördetal dominieren, mal mit, mal ohne Promenade.

 

Der Raumbedarf, die große Anzahl der Gleise und der Bahn­höfe lassen auf die ökonomische Bedeutung und den rasanten gesellschaftlichen Wandel Rückschlüsse zu.

 

Bahnhofsverlagerung in den Süden der Stadt

Das deutlich sichtbare Zusammenspiel zwischen dem Schiffs ­und dem Schienentransport währte anscheinend nur kurze Zeit:

 

Die Verlagerung des Bahnhofes auf das Gelände des ehemali­gen großen Mühlenteiches im Jahre 1927 und der städte­bauliche Anschluß über die Bahnhofstraße, Deutsches Haus, Dr.-Todsen-Straße an den Südermarkt weist auf einen erhöh­ten Warenumschlag für den Flensburger Bedarf ohne Weiter­transport per Schiff hin.

 

Anbindung Bahnhof / Innenstadt nicht vollständig vollzogen

Die Anlage der Bahnhofstraße verläuft fast parallel zu den alten Verkehrswegen Husumer und Schleswiger Straße ( auch hier nun Siedlungstätigkeit), die relativ neue Eisenbahn­trasse der Husumer Bahn verläuft hingegen hierzu quer. Durch den Höhenunterschied ist aber keine Verbindung bzw. tatsächliche Parallelität zur Schleswiger Straße gegeben. (Schleswiger und Husumer Straße bleiben Einfallstraßen, die am Neumarkt zu einem Stadteingang zusammenlaufen. Die weni­gen Gewerbebetriebe und die Gestaltung der Bahnhofstraße reichen jedoch in der nachträglichen Betrachtung nicht aus, um das neue Gebiet funktional in das Stadtgebiet einzuglie­dern, im Gegenteil übernehmen einige Gewerbebetriebe an der östlichen Bahnhofstraße eine negative, trennende Funktion.)

 

Konkurrenz der Verkehrsträger Eisenbahn, Bus bald auch Automobil

Die Eisenbahn als Hauptverkehrsträger auch im Passagierver­kehr bekommt frühzeitig Konkurrenz durch die elektrische Eisenbahn, bald auch durch die ersten Omnibusse. An die Stelle des Bahnhofes im inneren Fördebereich tritt im Ver­laufe der weiteren Entwicklung der ZOB, der 1931 als erster ZOB Deutschlands eröffnet wurde.

 

Die weiteren Siedlungsgebiete innerhalb des Fördetals wer­den von diesen Entwicklungen wie folgt berührt:

 

Unvollständige Anbindung Bahnhof – Achter de Möhl

Der Bereich Fischerhof / Achter de Möhl erhält in Teil­bereichen Anschluss an den neuen Bahnhofsbereich (Mühlen­damm, Waitzstraße , Helenenallee, Munketoft, zum Teil auch die Teichstraße). Die Arbeitersiedlung um die Mittelstraße bleibt hiervon jedoch isoliert, lediglich die negativen Auswirkungen, die hohe Überbauung wird hier sichtbar.

 

Verkehrsknotenpunkt Hafermarkt, Angeburger Straße bleibt im Ortsteil Einfallstraße

Die Angelburgerstraße behält ihre Bedeutung als Ein­fallstraße aus Angeln, Glücksburg und neuerdings auch von den Wohngebieten oberhalb des Hügels und aus dem Bereich Fischerhof / Achter de Möhl. Die Heinrichstraße und die Vik­toriastraße schaffen neue Durchlässigkeiten. Die östliche Angelburger Straße erhält einen völlig anderen Charakter als deren westlicher Teil: Die obere Angelburger Straße ist ne­ben dem Einzelhandels- und Dienstleistungsbereich auch Standort für den Großhandel und Übergangszone zu den ge­werblichen Bereichen am Sandberg und zum Johannisviertel. Der Hafermarkt entwickelt sich von einem Eingangsbereich zu einem Verkehrsknotenpunkt.

 

Johannisviertel: Wohnen Gewerbe und Großhandel

Das Johannisviertel bleibt Standort für die einfachen Leute, mehr und mehr wird das Gebiet von Gewerbe durch­setzt: Teilweise im Zusammenhang mit der Bahn zu sehen, teils Energieerzeugung, teil Produktion, teils Großhandel. Die Entwicklung in diesem Bereich verläuft unabhängig von der Innenstadt.

 

Fördespitze vom Verkehr vereinnahmt, St. Jürgen verliert den Hafenbezug

Im Bereich innere Fördespitze und St. Jürgen weicht der kurz vorher angelegte repräsentative, „öffentliche“ Bereich bereits wieder dem Verkehrssektor. Immer mehr breitere Ver­kehrstraßen, Schienen und Straßen trennen das Gebiet St. Jürgen vom Wasser ab.

 

Ballastbrücke / Lautrupsbachtal durch Eisenbahnlinie abgetrennt

Der gerade erst entstandene Siedlungsbereich im Lau­trupsbachtal und entlang der Ballastbrücke verliert durch die Eisenbahnlinie den Anschluss an das städtische Sied­lungsgefüge. Bezugspunkte bleiben / werden hier der Bal­lastabbau / Kiesabbau, die Ziegelei, zeitweilig der Seglerha­fen, später dann die der Ballastbrücke vorgelagerten Kohle­anlagen und der Freihafen. Die ebenerdigen Stadterweite­rungsflächen entlang des schmalen Fördetales werden somit von gewerblichen Einrichtungen „besetzt“.

 

Westufer: Gewerbestandorte weiter nach Norden

Ähnliche Tendenzen sind am westlichen Fördeufer festzu­stellen. Hier entwickeln sich Werft, die Energieerzeugung und das Wasserwerk mit umgebenden Wohnstandorten.

 

Neue Wohnquartiere auf der Hangkrone

Um die Jahrhundertwende hat sich in der Siedlungstätigkeit der Sprung auf die Hangkrone vollzogen. Hier verfestigt sich das sozial-räumlich differenzierte Wohnen:

 

So ist der Siedlungsbereich „auf Duburg“ im Zusammenhang mit der Kasernenanlage zu sehen, die westliche Höhe ist priviligierter Standort für die Kaufleute, die östliche Hangkrone für gut bürgerliches Wohnen, der Bereich um die Voigtstraße / Schreiberstraße, zugänglich über den Sandberg (Marmeladenfabrik), wird Siedlungsbereich für den ersten Flensburger Arbeiterbauverein.

Nach 1945 wurde die vollständige Trennung von Arbeiten und Wohnen auch planerisch vollzogen. Verbunden mit einer expansiven Wirtschaftswachstumsphase, der Herausbildung des tertiären Sektors und einer explosiven Motorisierung führ­ten diese allgemeinen Tendenzen zu folgenden Entwicklungen in Flensburg:

 

Abwanderung der Wohnbevölkerung aus der Innenstadt

Die Trennung der Funktionen ging einher mit einer Abwande­rung der Wohnbevölkerung, einer Entleerung der Altstadtbe­reiche und einem Wohnwertverfall der Innenstadtquartiere.

 

Verkehrsgerechter Stadtumbau

Diese Entwicklungen führten zu einem extremen Anwachsen des Verkehrsbedarfes, was sich planerisch in Straßenneu­bau / Umbaumaßnahmen niederschlug:

 

  • Bau der Friedrich-Ebert Straße
  • Ausbau der Heinrichstraße
  • Kreuzungsumbauten am ZOB und am Hafermarkt
  • Ausbau des Hafendammes
  • Ausbau der Nordstraße
  • Ausbau der Straße Am Lautrupsbach

Diese Straßenbauten begünstigten die Abwanderung der Wohn­bevölkerung und führten zu einem hohen Parkplatzbedarf für die nun per PKW zum Einkauf und zum Arbeiten in die Innen­stadt drängenden Bewohner.

 

Planungssicherheit durch langfristige Verkehrsprojekte

Den ehemals exponentiellen Hochrechnungen der Verkehrsprognosen zufolge wurden weitere Verkehrswege geplant:

 

  • die Wehner Hochstraße
  • der weitere Ausbau der Heinrichstraße
  • der Ausbau der Kanzleistraße zur Fachhochschule
  • die Anbindung über die L 21
  • die Osttangente

Diese Verkehrsplanungen hatten und haben große Bedeutung für die Belastung und Bewertung der Innenstadtquartiere. Besonders die Langfristigkeit der Projekte und damit ver­bundene Zweifel an der Realisierung führen häufig zu Investitionsunsicherheiten.

 

Citybildung: Vom Einkaufsbereich zur Fußgängerzone

Im Zuge des Wirtschaftswachstums drängte die Geschäfts­nutzung mit hohen Flächenproduktivitäten (Umsatz pro qm Verkaufsfläche) in die – als Punkt optimaler Erreichbarkeit – teuren Innenstädte. Die Einkaufsbereiche, später dann Fußgängerbereiche prägten sich als reine Konsumbereiche heraus. Aktivitäten mit höherem Flächenanspruch bzw. mit geringeren Flächenproduktivitäten wurden aus den In­nenstädten verdrängt und suchten sich, je nach dem Grad der Kundenabhängigkeit oder Kundenmobilität, weiter entferntere Standorte.

 

Umgeplante Standorte für zentrale Einrichtungen der Verwaltung

In Flensburg blieb der Hauptgeschäftsbereich auf den Altstadtkern zwischen Nordermarkt und Südermarkt bzw. Angelburgerstraße / Westteil beschränkt (Kerngebiet) und blieb damit innerhalb der alten Stadtmauern, eine Verstär­kung erfährt diese trennende Zäsur durch den Bau der Fried­rich-Ebert-Straße. Der sich herausbildende Bereich der „Administration“ entsteht nicht räumlich konzentriert, son­dern einzelne großflächige Gebäude werden punktuell „eingestreut“:

 

  • Rathaus an der neuen Friedrich Ebert Straße
  • Stadtbücherei/Volkshochschule Süderhofenden
  • Arbeitsamt Bahnhofstraße / ehem. Munketoft
  • Hauptpost Bahnhofstraße
  • Hallenbad Bahnhofstraße
  • Feuerwehr Waitzstraße
  • Krankenkassen Waitzstraße
  • Industrie und Handelskammer Heinrichstraße
  • Katasteramt Heinrichstraße
  • Handwerkskammer Johanniskirchhof / Am Dammhof
  • IKK etc Augustastraße
Diese Einrichtungen am südöstlichen Cityrand finden untereinander kaum eine Verbindung und bleiben baulich und funktional überwiegend Fremdkörper in ihrer Umgebung.
 

Abwanderung des expandierenden Gewerbes in die Gewerbegebiete

Der expandierende gewerbliche Sektor verließ im Zuge von Funktionsentflechtungen bald die Innenstadt, die älteren, meist stagnierenden Gewerbestandorte wurden beibehalten, bis im Zuge der Rezession eine Aufgabe nicht mehr zu ver­meiden war. Neue Branchen ziehen nicht nach, bzw. fehlen ganz, so dass Gebiete am Innenstadtrand oft brach bleiben. Florierend ist im Innenstadtbereich der Einzelhandel, der sehr stark von Kaufkraftzuflüssen aus dem Umland und aus Dänemark abhängig ist.

 

Individualverkehr und Funktionstrennung schaffen Parkplatzprobleme

Der Bedarf für den ruhenden Verkehr nahm durch alle oben angesprochenen Themenbereiche unaufhaltsam zu. Die Trennung der Daseinsfunktionen im Zeitalter von Motorisierung und Individualverkehr macht Stellplätze am Wohn-, Arbeits- und Einkaufsplatz erforderlich. Für den Untersuchungsraum heißt das vor allem Parkplatzbedarf für die Citybesucher und Cityarbeitnehmer / innen, insbesondere nach der Einrichtung der Fußgängerzonen im Kernbereich und Parkplatzbedarf für die Besucher der öffentlichen und privaten Dienstleistungs­einrichtungen des Cityrandgebietes, zusätzlich sind Busparkplätze für den touristischen und Grenzhandelsverkehr erforderlich.

 

Für das Verhältnis der einzelnen Stadtteile zueinander er­brachten die letztgenannten Entwicklungen folgende Verände­rungen:

 

Westufer: Im nördlichen Randbereich des Hauptgeschäftsgebietes entwickeln sich Sanierungsgebiete

Die westliche Altstadt zwischen Südermarkt und Nordermarkt bleibt Kernbereich des Handels, Stadtzentrum und Fußgänger­zone. Randbereiche blieben außerhalb des Investitionsinter­esses und entwickelten sich zu Sanierungsgebieten. Mit Fortschreiten der Sanierungsmaßnahmen kristallisieren sich folgende Spezialisierungen heraus:

 

  • Hauptgeschäfts- und Kaufhausbereich bleibt im Gebiet zwischen Angelburgerstraße und Holm / Rathausstraße.
  • Die Große Straße wird Standort des exclusiven Angebots.
  • Die Norderstraße entwickelt Familienfreundlichkeit als Profil.
  • Die südliche Schiffbrücke und die Norderhofenden wenden sich dem öffentlichen Bereich um den Hafen zu.
  • Die nördliche Schiffbrücke entwickelt sich zur Vergnü­gungsmeile. 

Fördespitze beginnende Freizeitnutzung, Umklammerung durch den Verkehr

Bei nachlassender gewerblicher Nutzung wurde die Förde­spitze umstrukturiert: Die Hafentreppe, die Promenade sowie der Spiel- und Grillbereich stellen den Beginn einer städ­tischen Freiflächennutzung dar. Große Probleme bereiten nach wie vor die Umklammerung durch den Verkehr (Schiene, Straße, Park- und Stellfächen) und die dadurch schlechte Anbindung an die angrenzenden Gebiete.

 

St. Jürgen: Private Sanierung, Anbindungsprobleme

Die Abtrennung des Kapitäns- und Fischerviertels St. Jürgen vom Hafen wird durch den vierspurigen Ausbau des Hafendam­mes weiter verstärkt, die Verkehrsbelastung steigt weiter an. Private Initiativen seit Mitte der 70er Jahre führten zur Einrichtung eines nicht-kommerziellen Fußgängerberei­ches in der St.- Jürgen-Straße, begleitet von Modernisierun­gen. Hiervon unberührt bleiben die Probleme im Gängeviertel und zum Hafendamm hin bestehen.

 

Ballastbrücke / Lautrupsbachtal: Insellage, Beeinträchtigungen der klimatischen Funktionen

Nach der Stilllegung der Eisenbahnlinien wurden die vorhan­denen Trassen für den Straßenbau genutzt. Mit dem Bau der Nordstraße und der ausgebauten Straße Am Lautrupsbach blieb die doppelte Trennlinie in West / Ost Richtung erhal­ten, die Ballastbrücke und die Bismarckstraße riegeln die kleine Siedlung in Nord / Süd Richtung ab. Die stadtklima­tisch wichtige Verbindung Tal / Förde ist durch vorhandene Gebäude bzw. Flächenversiegelungen beeinträchtigt. Im nörd­lichen Bereich der Ballastbrücke beginnt das Gewerbe die Wohnnutzung zu verdrängen.

 

Johannisviertel: Baulicher Torso, Nutzungskonflikte

Im Johannisviertel häufen sich die negativen Folgewirkungen. Das alteingesessene Gewerbe wandert ab, bei nachlas­sendem Investitionsdruck bleiben die abgeräumten Flächen unbebaut. Innenstadtbesucher und Einkäufer drängen in das Quartier und „besetzen“ das Viertel flächenhaft mit Park­platznutzung.

Gleichzeitig breiten sich zentrale Einrichtungen der Ver­waltung räumlich aus. Neubauten ohne Rücksicht auf die hi­storischen Strukturen, eine nochmals erhöhte Verkehrsbela­stung, Ver- und Bedrängung der Wohnnutzung sind die Folgen.

 

Angelburger Straße / Hafermarkt: Hohe Verkehrsbelastung mit Durchgangsverkehr, labile wirtschaftliche Situation

Die Zweiteilung der Angelburger Straße hat sich seit dem Bau der Friedrich-Ebert-Straße / Süderhofenden weiter verfe­stigt, der östliche Teil des historischen Einzelhandels­ und Dienstleistungsbandes blieb außerhalb des Hauptge­schäftsbereiches. Sinkende Einwohnerzahlen in den umliegen­den Gebieten und das hohe Verkehrsaufkommen führten zu ei­ner instabilen wirtschaftlichen Situation. Der Hafermarkt selbst hat durch den enormen Durchgangsverkehr kaum- noch Stadteingangs- und damit Sammel- und Orientierungsfunktion.

 

Fischerhof / Achter de Möhl: Isolierte Wohnlage, Instandsetzungsbedarf 

Der Wohnbereich Fischerhof / Achter de Möhl blieb bis in die heutige Zeit ein vergessenes und zum Teil vernachlässigtes Gebiet. Kleine, schmale, dicht bebaute und zum Teil stark überformte Grundstücke sind hier kennzeichnend. Wechselnde Maßstäbe, geringe Wohnungsausstattungen und ein unattrakti­ves Wohnumfeld sind neben der Isolation die Hauptprobleme.

 

Neumarkt: Verkehrsknoten statt Stadteingang

Mit dem Bau der Friedrich-Ebert-Straße wurden der Stadtein­gang Rote Straße und die Strukturen an der Töpferstraße / am Niedermai vollständig zerstört. Der Neumarkt wird vollkom­men vom Verkehr beherrscht. Straßen, Parkplätze und Straßenschilder wirken ohne entsprechende Raumkanten ver­wirrend und desorientierend. Selbst das an sich dominante Rathaus hat hier kaum gestaltende, leitende Wirkung. Der (Alt-) Stadteingang ist wenig einladende.

 

Wohngebiete auf der Hangkrone stabil 

Die meist gründerzeitlichen Wohngebiete auf der Hangkrone haben trotz der Abwanderung der Wohnbevölkerung aus den In­nenstädten ihre Attraktivität behalten. Lagevorteile, Wohnungsgrößen, Wohnungszuschnitte und die Stabilität der Nut­zung haben ein Absinken dieser Quartiere verhindert. In nächster Zukunft sind grundlegende Veränderungen hier nicht zu erwarten.